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Teil 18: PER ASPERA AD ASTRA

Die vergangenen sechs Monate haben mir schmerzhaft klar gemacht, dass selbst Herzensprojekte manchmal auf Rot schalten müssen, wenn Herz, Kopf und Körper nicht aus der Spur geraten sollen. Wer in dieser Zeit auf unsere Website schaute, sah es deutlich: Die Veranstaltungsliste ist geschrumpft. Kein Systemfehler, kein geheimer Rückzug – eine bewusste Pause. Familie braucht unverhandelbare Räume, Gesundheit – körperlich und seelisch – verlangt nach Wartungspausen, und echter Zusammenhalt entsteht nicht unter Dauerlast, sondern in Momenten der Nähe.

Mitten in diese Pause kam Carola, jüngstes Mitglied unseres Lenkungskreises. Sie kannte Kolibri fast nur aus Erzählungen, lehnte bei ihrer ersten Vorlesestunde still an der Wand und sagte später trocken: „Man kann die persönlichen Animositäten hier im Raum regelrecht lesen.“ Dieser Satz saß. Pläne hatten wir viele, aber unsere Schultern hingen, und wer genau hinsah, konnte die kleinen Reibereien zwischen den Bücherregalen flimmern sehen.

Viele Wochen später holte uns dieser Satz ein. Bis dahin hatten wir das Miteinander unserer Mitwirkenden vor allem aus sicherer Distanz beobachtet, höchstens moderierend eingegriffen – doch plötzlich forderte die Realität entschlossenes Handeln statt abwägendem Zuschauen. In jener Nacht saßen mein Mann und ich bis vier Uhr früh am Küchentisch, zwei kalte Kaffees vor uns, eine Serviette voller Plus-/Minus-Spalten in der Hand. Uns wurde klar, dass ein vertraute Rolle inzwischen mehr bremste als beflügelte. Es ging nicht um Schuld; manchmal braucht der Baum einfach Licht, und ein alter Ast muss weichen.

Am nächsten Morgen holten wir den Lenkungskreis mit ins Boot – respektvoll, direkt, ohne Schonung und ohne Drama. Wir zeichneten offen nach, was geschehen war, stellten unsere Handlungsoptionen dar und nahmen gleichermaßen die Vorschläge des Gremiums auf. Kein Hinterzimmer, kein Flüstern. Wir baten um eine demokratische Mehrheitsentscheidung und boten zugleich den Protagonisten an, sich jederzeit zu äußern, falls Gesprächsbedarf bestünde. Doch unser Ruf blieb zm Teil unerwidert; ein Stuhl blieb leer. Also fassten wir den Beschluss, dass wir für das gemeinsam erreichte dankbar sind, zukünftig aber getrennte Wege gehen müssen und wollen. Es war, als spränge man ins winterkalte Wasser – schockierend in der ersten Sekunde, doch befreiend, sobald man wieder Luft holt.

So entstand Raum zum Durchatmen, und ich hörte wieder mein eigenes Herz schlagen. Per aspera ad astra – durch das Raue zu den Sternen – heißt für mich nicht Abschied, sondern der Mut, schwierige Entscheidungen zu treffen, damit ein Projekt weiterfliegen kann, bevor die Menschen dahinter ausbrennen. Die Sterne sind nicht das Ende, sie sind das nächste Ziel. Und ja, der Weg dorthin ist rumpelig; doch ohne ihn gäbe es keinen Aufbruch.

Bis zur nächsten Etappe

Eure
Nicole