Teil 2: Lesen braucht Raum

In Teil 1 dieses Blogs wurde ich durch eine alarmierende IGLU-Studie getriggert, die zeigte, dass viele unserer Kinder den Zauber des Lesens verlieren. Diese inspirierenden Worte und Geschichten, die in meiner Kindheit Türen zu neuen Welten öffneten, scheinen für viele Kinder heute verschlossen. Doch anstatt nur zuzusehen, habe ich mich entschlossen, aktiv zu werden. Nun, drei Wochen später, setzen wir unsere Reise fort…

Ich beginne Gespräche zu führen. Mit Lehrern, Schulleitern, Eltern. Ich teile meine Gedanken mit meinen Freunden, bespreche meine Pläne mit meinem Mann und auch meine Mutter hört sich meine Ideen an. Ein besonders emotionaler Moment ist das Gespräch mit meinen drei Kindern und ihren Schulkameraden. Ihre jugendliche Sichtweise und Unvoreingenommenheit berühren mich zutiefst und motivieren mich weiter. Eine Erkenntnis aus den Gesprächen, die mich vor allem anderen nicht zur Ruhe kommen lässt: Lesen benötigt Raum – einen Raum zum Träumen, zum Lernen, zum Wachsen.

Natürlich gibt es Ängste und Befürchtungen. Als Leiterin eines gewinnorientierten Unternehmens gerate ich schnell unter Generalverdacht, wenn ich soziale Projekte ins Leben rufe. Fragen kommen auf: Ist das nur eine PR-Aktion? Stecken dahinter versteckte Interessen? Ist das Greenwashing? Und ja, es besteht die Sorge, dass ich dem Shitstorm von Trollen ausgesetzt sein könnte, die ihren Frust an mir auslassen wollen, weil sie vielleicht meine Absichten nicht verstehen oder einfach nur Lärm machen wollen.

Dann gibt es noch die Bedenken, dass ich hier bei uns beginne, obwohl es an anderen Orten dieser Welt vielleicht noch dringender ist. Es gibt so viele Orte, an denen das Leid unvorstellbar groß ist, und dennoch sehe ich den Bedarf hier. Das bedeutet nicht, dass ich das Leid anderswo ignoriere. Im Gegenteil, es bestärkt mich nur in meiner Überzeugung, dass wir überall, wo wir können, einen Unterschied machen sollten.

Doch bei all diesen Ängsten und Befürchtungen gibt es etwas, das sie überwiegt: Mein Wunsch, etwas zu verändern. Die Überzeugung, dass Lesen den Kindern Raum geben kann, um zu wachsen und zu lernen. Und auch wenn diese Ängste da sind, so ist da auch der unerschütterliche Rückhalt, den ich in meiner Familie finde. Mein Mann steht fest an meiner Seite, und ich weiß, dass ich diesen Weg nicht alleine gehen muss. Ja, es sind die leisen Töne, die uns bewegen und in der Stille den größten Klang erzeugen – und diese Töne möchte ich hörbar machen.

Die Frage der Finanzierung ist ein weiterer Gedanke, der mich umtreibt. Wie soll all das bezahlt werden? Ein großes Vorhaben, das viel Geld benötigen wird. Plane ich zu groß? Schieße ich über das Ziel hinaus? Doch ich bin entschlossen, diese Hürde zu nehmen.

Als ob das Universum mir zustimmt, bietet sich plötzlich eine wunderbare Gelegenheit: Direkt unter meinem Büro, mitten in der Stadt, steht ein heller, einladender Raum mit 80 Quadratmetern zur Verfügung. Der perfekte Ort, um Kinder zum Lesen zu inspirieren. Ein Ort, an dem unsere Initiative Gestalt annehmen kann. Und so unterschreibe ich den Mietvertrag – ein weiterer Schritt in Richtung Veränderung.

Die Reise hat gerade erst begonnen und wir sind mitten drin. Eine Vision? Check. Einen Raum? Check. Entschlossenheit im Überfluss? Check. Wir haben die Entschlossenheit, etwas zu bewegen und gemeinsam die Welt ein Stück farbenfroher zu gestalten. Doch unser Projekt braucht einen Namen. Dies ist ein Kapitel für sich, geprägt von ‘Krafttieren’ und ‘pädagogischen Ersthelfern’. Also bleib dran und erfahre mehr über den nächsten Schritt auf dieser spannenden Reise.

Nicole Feldberger